Umkämpfter Auftakt mit Siegen von Nepomniachtchi und Wang

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Die erste Runde des Kandidatenturniers 2020 beginnt mit einer chinesischen Überraschung, als Außenseiter Wang Hao mit schwarzen Steinen seinen Landsmann - und einen der Favoriten des Turniers - Ding Liren besiegt. Eine zweite Entscheidung gibt es zwischen Anish Giri und Ian Nepomniachtchi. Hier setzt sich der Lokalmatador nach hartem Kampf durch. Nach der ersten Runde führen Ian Nepomniachtchi (Russland) und Wang Hao (China) das Feld an, vor vier Spielern mit je einem halben Punkt.

Das Kandidatenturnier 2020 ist wahrscheinlich das einzige hochkarätige Sportereignis der Welt. Angesichts der Bedenken hinsichtlich des Coronavirus wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. Spieler und Schiedsrichter werden mit Masken und Desinfektionsmitteln versorgt und das Publikum darf den Spielort nicht betreten. In Bezug auf Schach ist diese Veranstaltung einzigartig. Es gibt den höchsten Preisfonds aller Zeiten für ein Kandidatenturnier (500.000). Zudem ist es für die Hälfte der Spieler (Maxime Vachier-Lagrave, Ian Nepomniachtchi, Kirill Alekseenko und Wang Hao) ihr erstes Antreten bei den "Candidates".

Traditionell begann die Eröffnungsrunde mit einer Zeremonie des ersten Zuges. FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich machte den ersten Zug im Spiel Ding Liren - Wang Hao, der russische Fußballstar Dmitri Bulykin zwischen Vachier-Lagrave und Caruana, der Leiter des Jekaterinburg City Chess Federation Mikhail Vakhrushev eröffnet das russische Duell zwischen Alexander Grischuk und Kirill Alekseenko und der 12. Weltmeister Anatoly Karpov zwischen Anish Giri und Ian Nepomniachtchi.

Die größte Überraschung des Tages passiert im ersten chinesische Duell in einem Kandidatenturnier. Wang Hao gewinnt gegen Ding Liren, jenen Spieler der 2018 das Turnier ohne Niederlage beenden konnte. Nach einer englischen Eröffnung scheint das Mittelspiel dynamisch ausgeglichen, wobei Weiß (Ding Liren) einen winzigen Vorteil - einen starken Springer auf c4 und eine gute Kontrolle über die Stellung hatte, während Schwarz mit einem passiven Läufer auf c7 zurecht kommen muss. Ding Liren entscheidet sich im 30. Zug mit f4 die Stellung zu öffnen, lässt damit aber Schwarz zum Leben erwachen. Wang Hao nutzt seine Chance, die Initiative zu ergreifen, dominiert er am Königsflügel und bricht entscheidend durch. In seiner Analyse der Position hob Wang Hao in der Pressekonferenz 30.f4 als kritischen Zug hervor und wies darauf hin, dass Weiß zuvor einen Vorteil hatte.

Dieses Partie war auch aus einem anderen Grund interessant: Über eine Million Menschen aus China haben die Live-Übertragung auf der offiziellen Website gesehen. Die chinesischen Kommentatoren waren Yifan Hou, die seit dem Rücktritt Polgars unbestritten beste Spielerin der Welt, und Peng Zhaoqing, dreifacher Champion von China und 14-fachen Meister der Niederlande.

Das erste beendete Partie des Turniers war zwischen Maxime Vachier-Lagrave (der erst in das Kandidatenturnier kam, nachdem Teimour Radjabov zurückgezogen hatte) und Fabiano Caruana (die Nummer 2 der Welt und der Gewinner 2018). Aufs Brett kam die Archangelsk-Variante im Spanier, die Caruana so kommentierte: "Es ist eine der schärfsten Varianten in dieser Eröffnung, die grundsätzlich schon eine der zweischneidigsten überhaupt ist". Die Eröffnung verlief für Maxime Vachier-Lagrave nicht wie geplant und nach seinen eigenen Worten "war die Position sehr unangenehm". In einem taktisch herausfordernden Kampf schien Caruana besser vorbereitet zu sein. Der Franzose spielt jedoch geduldig und findet die richtigen Züge, um das Gleichgewicht in zu halten. Der kritische Moment war im 32. Zug, als Weiß nach 23 Minuten Nachdenken Dd3 spielte! Das schien für Weiß sehr gefährlich, aber es gab immer noch keinen klaren Weg zum Vorteil für Schwarz: "Ich habe eine Reihe von Varianten berechnet, ohne etwas klares zu finden und deshalb ins Remis abgewickelt.", sagte Caruana in einem Interview.

Das russische Duell zwischen Alexander Grischuk und Kirill Alekseenko beginnt mit einem Handschlag und endet unentschieden. Am Anfang gab es ein technisches Problem, als Grischuk darum bat, seinen Stuhl zu ersetzen, da er den urspünglichen "Bürosessel" als unangenehm empfand. Aufs Brett kam die gleiche Eröffnung wie zwischen Ding Liren und Wang Hao. Im achten Zug Betreten die Beiden dann Neuland. Grischuk gelingt es Druck zu machen und im Zentrum die Oberhand zu gewinnen. Schwarz (Alekseenko) behält aber genügend Feuerkraft und offene Diagonalen, um mit Dame und Läufer ein Gegenspiel zu entwickeln und den weißen König zu bedrohen. Das Duell endete mit einer Zugwiederholung. Während die Schachexperten viele Meinungen zu den Partien aus der ersten Runde äußerten, gab Grischuk - in seinem bekannten Stil - eine trockene Zusammenfassung des ersten Tages: "Alle haben heute schrecklich gespielt, außer vielleicht Ian [Nepomniachtchi]".

Grichuk lobt Ian Nepomniachtchi, dem es gelang Anish Giri mit schwarzen Stücken zu besiegen. Es war die längste Partie des ersten Tages und dauerte über fünf Stunden. In einer weiteren englischen Eröffnung entschieden sich die Spieler für ein bekannt scharfes Abspiel. Giri spielt schnell und zeigt sich bestens vorbereitet. Er wählt im 12. Zug ein Abspiel, das bisher nur im Fernschach getestet wurde. Die Computer tendieren danach zwar eher zu Schwarz, das Spiel ist aber sehr kompliziert mit vielen Fallstricken für Schwarz. Nepomniachtchi findet aber seinen Weg durch das Dickicht der Varianten und plötzlich ist es Giri, der die besten Züge finden muss. Im 32. Zug muss er schließlich seine Dame für Turm und Läufer geben, hat aber berechtigte Chancen eine Festung zu bauen. Am Ende entsteht ein Endspiel zwischen Dame und Turm, in dem Nepomniachtchi Weiß gekonnt daran hinderte, die Festung zu vollenden. Im 62. Zug muss Giri aufgeben. "Ich habe schlecht gespielt", sagte Giri nach der Partie. "Ich dachte, wenn ich passiv mit dem Turm auf der vierten Reihe verteidigt hätte, wäre es wohl ein Remis geworden. Es ist aber kein 100-prozentiges Unentschieden." Auf die Frage, ob er etwas an seiner Herangehensweise für das Turnier ändern werde, gab Giri einen düsteren Kommentar ab: "Es ist schwer, sich anzupassen. Wahrscheinlich ist es zu spät." (wk, Presseinfo/Fotos: FIDE)

Die zweite Runde bringt heute ab 16:00 Uhr Ortszeit (12:00 MEZ) die folgenden Paarungen:

Fabiano Caruana (USA) – Kirill Alekseenko (Russia)
Ian Nepomniachtchi (Russia) – Alexander Grischuk (Russia)
Wang Hao (China) – Anish Giri (The Netherlands)
Maxime Vachier-Lagrave (France) – Ding Liren (China)

Links:
FIDEOffizielle Turnierseite

Videokommentare von Markus Ragger (Youtube)
Runde 1

Der englische Großmeister Daniel King hat alle Kandidaten auf Youtube vorgestellt:
CaruanaDingGrischukNepomniachtchiVachier-LagraveGiriWangAlekseenko.