Peter Balint, österreichisches Talent mit ungarischen Wurzeln

Vor kurzem erschien in einem ungarischen Magazin, Sakkmező, ein Interview über Peter Balint. Peter ist 10 Jahre alt, er verfügt über 2105 Elo-Punkte und damit steht er auf Platz 6 auf der Weltrangliste seiner Altersklasse im klassischen Schach. Die Zeitung schreibt darüber, dass es in Ungarn in dem letzten Jahrzehnt keinen so Elo-starken Spieler mit 10 gab. Mit dem Einverständnis von dem Magazin Sakkmező und der Autorin, Orsolya Sztipán dürfen wir den Artikel in einer deutschen Übersetzung publizieren. (wk, Text/Foto/Info: Magdolna Varga)

Artikel bei Sakkmező

 

Deutsche Übersetzung:

Das Spiel und der Wettkampf - die Quellen seiner Freude

Péter Bálint ist ein unter österreichischer Flagge spielender 10 Jahre alter Junge, der mit 2105 ELO-Punkten in seiner Altersklasse derzeit auf Platz 6 der Weltrangliste steht. Über so viele ELO-Punkte verfügte in seinem Alter während der vergangenen 10 Jahre kein einziger ungarischer Schachspieler. (In Österreich gab es noch nie so einen ELO-starken zehnjährigen.)

Das ungarische Magazin, Sakkmező sprach mit seiner Mutter, Magdolna Varga.

Wann hast du bemerkt, dass Peter etwas anders ist, als seine Altersgenossen?

Bei Peti stellte sich bald heraus, dass er über ganz besondere Fähigkeiten verfügt. Mit 4 Jahren war er bereits mein Navigationsgerät. Wir fuhren zum Beispiel zum zweiten Mal mit seinem autistischen Bruder zur Therapie von Parndorf nach Wien, die Fahrt dauert etwa eine Stunde. Dabei navigierte mich Peter so, dass er mich sogar rechtzeitig auf Fahrstreifen-wechsel hinwies. Überdies meinte er, dass die Route, auf welcher wir beim ersten Mal zurück fuhren, seiner Meinung nach auch bei der Hinfahrt schneller sei. Und er hatte Recht!

Welche Interessen hatte Peter als er klein war?

Er war schon immer außerordentlich aufgeweckt, dies ist auch heute noch so. Er las schon mit 4 Bücher, sowohl auf Ungarisch wie auch auf Deutsch. Einmal, als er noch ein Kindergartenkind war, musste er eine Woche lang zuhause bleiben, weil er krank war. Ich kaufte ihm ein dickes Buch zur Beschäftigung. Er hörte jedoch so lange nicht damit auf die Aufgaben zu lösen, bis er damit an dem darauffolgenden Vormittag schon ganz fertig war. Er ist in allem so.

Wie läuft ein durchschnittlicher Tag von Peter ab?

Er sitzt viel im Auto, bestenfalls kommen wir in 40 Minuten bei der Schule an, je nach Verkehrslage kann es aber auch 1 ½ Stunden dauern. So vergehen 2-3 Stunden seines Tages mit den Fahrten. Er ist kein Privatschüler, wir wollen das, zumindest vorläufig, auf keinen Fall. Peter ist sehr gern in Gesellschaft. Ich könnte ihn schon um 13 Uhr aus der Schule abholen, ich tue es aber nicht, weil er zwischen 14 und 15 Uhr mit den anderen Kindern im Park spielt. Die anderen Kinder lernen zwischen 15 und 16 Uhr, während dieser Zeit fahren wir. Zuhause macht er seine Aufgaben in 15-20 Minuten, dann spielt er Schach, liest ein Buch und legt sich schlafen.

Wie kam er in Kontakt mit dem Sport?

Seine erste Erfahrung machte er mit Fußball und diese Leidenschaft begleitet ihn bis heute. In seiner Mannschaft spielte ein türkischer Junge, namens Ali, er schoss die Tore und unser Sohn rannte nach jedem Tor als Erster vom gegnerischen Tor zurück, segelnd, in Extase, mit der Freudenbotschaft. Anfangs waren seine Bewegungen ungeschickt, ein Jahr später hielt ihn sein Trainer jedoch für den technisch versiertesten Spieler. Peti setzte immer mehr auf dem Spielfeld um, was er gerade beim Training gelernt hatte.

So funktionierte das bei ihm am Anfang auch beim Schach. Die Freude am Spiel und der Respekt vor dem Gegner fesselten ihn zuerst. Dabei interessierte es ihn nie, wer gewinnt - oder wer beim Fußball die Tore schießt. Die Liebe zum Sport und die fanatische Entschlossenheit halfen ihm bei der Anhäufung seines Wissens.

Zweimal sah ich einige Sekunden lang Tränen in seinen Augen – beide Male hatte er Fehler gemacht. Einer davon brachte ihn um die Goldmedaille bei der Staatsmeisterschaft.

Wie kam er zum Schach? Hat dieser Sport auch früher in der Familie eine Rolle gespielt?

Schach nicht, aber das mathematische Talent hat er sicher von seinem Vater geerbt. Bei uns spielen auch die Großeltern gern Schach, aber niemand wettkampfmäßig. Die Idee kam von der einen Großmutter. Zu seinem 6. Geburtstag bekam Peter ein Schachbrett und einen Gruppenkurs geschenkt, den er einmal in der Woche besuchte. Der Kursleiter, Reinhold Achs entdeckte ihn. Ein Schüler von Reinhold war im Jahr 2019 U16 Blitz Weltmeister gewordene Dominik Horvath und auch Florian Mesaros, der bei zwei Weltmeisterschaften die Silber- und Bronzemedaille für Österreich holte.

Ende desselben Jahres, im Dezember 2016 nahm Peter zum ersten Mal an einem Turnier, an dem I. Mobilis Amateur Open in Győr teil. Dann kam Weihnachten und 14 Skype-Stunden als Geschenk, für jeden Tag ein Training in den Ferien. Zwei Wochen später, am 8. Jänner holte Péter den geteilten ersten Platz an dem II. Mobilis Amateur Open. Der Veranstalter, Zsolt Szabó meldete ihn als Gastspieler zum Simultan Schachverein an, später zum Széchenyi SE, dessen Mitglied er auch derzeit ist. In Österreich spielt er für seinen Heimatort, Parndorf und für Hietzing.

Wie gelangte er bis hierher, was führte dazu, dass er derzeit in seiner Altersklasse sechster auf der Weltrangliste ist?

Natürlich kam es nicht infrage, dass der Trainingsrhythmus von den Weihnachtsferien fortgesetzt wird. Wir konnten zwei Trainingsstunden in der Woche bezahlen, dies ist jetzt auch so, es begann jedoch in unserer Lebensweise Schach eine wesentliche Rolle zu spielen. Bei 8 nacheinander folgenden Staatsmeisterschaften stand Peter auf dem Podest, auch ganz oben. 2018 wurde er vom internationalen Meister Siegfried Baumegger in die Nationalmannschaft eingeladen. Das war eine sehr große Freude. Seither erhält er vom Österreichischen Schachverband weitere zwei Stunden Training. Man muss aber sehen, dass die meisten kleinen Schachspieler täglich so viel trainieren wie Peter jahrelang in einer Woche trainiert hat.

Im November 2018 präsentierte er sich stark bei der Weltmeisterschaft. Es hing dabei eigentlich an zwei Partien, dass er nicht unter die ersten 10 gelangte. Bei unbekannten Eröffnungen berechnete er die Zeit für die ersten 40 Züge auf die Sekunde, als er dann in der Bonuszeit aufatmete und beim 41. bzw. 44. Zug Fehler machte. So erging es ihm in gewonnener Stellung zum Beispiel gegen den besten Russen. Dieser WM war ein wichtiger Meilenstein und eine weitere Bestätigung darin, dass Peter in diesem Sport etwas zu suchen hat.

In der Familie erfolgten jedoch im Jänner 2019 Änderungen und Peter trainierte ein halbes Jahr lang nicht, er nahm nur an Wettbewerben teil. Dann trainierte er ein halbes Jahr lang wieder, jedoch nur wenig. Andere Sachen waren damals wichtig, fröhliche Stunden und viel gemeinsam verbrachte Zeit. Das alte Feuer kehrte im November 2019 zurück. Von da an wurde er in drei Monaten um 400 ELO-Punkte stärker und mit 2105 ELO-Punkten gelangte er auf Platz 5 der Weltrangliste seiner Altersklasse im klassischen Schach.

Wie viel trainiert er derzeit, wie ist sein Trainingssystem?

Seit Jänner 2020 trainiert er zweimal in der Woche mit Bundestrainer IM Siegfried Baumegger und zweimal mit dem slowakischen Großmeister Ján Markoš. Jan ist ein Polyhistor, von denen es nur mehr sehr wenige gibt. Er ist Verfasser von Büchern, er ist evangelischer Theologe, er unterrichtet an der Universität, ist eine wichtige Figur im öffentlichen Leben und er versteht zudem auch herausragend viel von Kindern.

Wie gut ist Peter in der Schule?

Er ist Vorzugsschüler. Peter ist 10 Jahre alt, jetzt hat er noch eine Menge Zeit für Schach. In den 4 Schuljahren hatte er nie eine schlechtere Note als Sehr Gut, es kam auch kaum vor, dass er irgendwo Punkte verloren hätte. Dreimal wurde uns vorgeschlagen, dass er eine Klasse überspringt, wir nahmen dieses Angebot jedoch nicht an, weil wir es für wichtig erachten, dass er lange Kind bleiben kann.

Am internationalen Känguru der Mathematik Wettbewerb beteiligen sich die meisten Schüler in Österreich, Peter ist jedes Jahr unter den besten, im Vorjahr wurde er Fünfter in Österreich. Er ist ein Bücherwurm, es interessiert ihn, was in der Welt geschah und geschieht, in jedem Bereich des Lebens. Trotzdem, wer ihn persönlich kennt, weiß genau, dass er kein Stubenwissentschaftler ist. Er ist voll von Leben, liebt die Gesellschaft, Freundschaften sind ihm wichtig. Wenn etwas kaputt geht, repariert er es, er hilft beim Kochen oder gerade Blumen pflanzen.

Er ist ja noch ein sehr junger Mann, aber gibt es schon die Vorstellung, dass Peter Schachspieler wird?

Nein, wichtig ist, dass er ein wertvoller und zufriedener Mensch wird, dass er sich damit beschäftigt, worin er Talent hat und womit er sich nützlich machen kann. Wir folgen ihm und versuchen, ihm dabei zu unterstützen. Peter hat Ausdauer und Schach interessiert ihn sehr. Derzeit kann er sich das Leben ohne Schach nicht vorstellen. Dabei steckt starker Kampfgeist in ihm und all das bringt ihn in diesem Sport voran, in welchem das Wissen und die Herausforderung gleichermaßen gegenwärtig sind.

Schach ist nicht nur Sport, sondern auch Spiel. Spielt dein Sohn deiner Meinung nach in erster Linie oder wettkämpft er eher?

Dies ist eine seltsame Sache, weil das die Quelle seiner Freude ist: das Spiel und der Wettbewerb gemeinsam. Von Anfang an spielte er lieber mit den Stärkeren. Er lässt sich nicht deshalb messen, um zu gewinnen.

Wie erlebt ihr als Eltern, als Familie, dass ihr ein so talentiertes Kind habt?

Die Zeit, wo wir Peti erwarteten, war die schwierigste Zeit in unserem Leben. Sein damals 3-jähriger Bruder hat gerade eine tiefe Regression erlitten, damals erfuhren wir, dass unser bis dahin nur außergewöhnlich geglaubtes Kind mit frühkindlichem Autismus lebt und niemals selbstständig sein wird. Die neun Monate vergingen mit Drama, Traurigkeit und vor allem viel Sorge. Dann kam Peter an und vom ersten Augenblick an strahlte er Freude und eine riesige positive Kraft – wodurch wir uns langsam beruhigten. Und diese Freude hält bis heute an.