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GM Wolfgang Zugrav feierte vor Kurzem gemeinsam mit IM Norbert Sommerbauer einen Doppelsieg in der 72. Fernschach Europameisterschaft. Wir berichteten darüber: Fernschach EM: Doppelsieg für Österreich!

Zugrav

GM Zugrav stellt sich nun den Lesern dieser Seite im Interview vor. Das Interview führte der Redakteur des Fernschach-Newsletter Reinhard Vlasak.

Herr GM Zugrav, lieber Wolfgang, du wurdest kürzlich Europameister im Fernschach. Dazu erst mal herzliche Gratulation. Wie fühlt man sich als Europameister?

Natürlich fühlt man sich gut, es ist eine tolle Sache.

Bevor wir uns deinen vielen Erfolgen im Fernschach widmen: Kannst du unseren Lesern etwas zu deiner Person sagen?

Ich wohne in Niederösterreich und arbeite im IT-Bereich. Ich war viele Jahre bei IBM und Lenovo, also Hardwareherstellern und habe von daher eine Affinität zu Computern.

Wie bist du zum Schach gekommen?

Mit etwa 12 Jahren bekam ich einen Schachcomputer und setzte mir das Ziel, ihn eines Tages zu besiegen. Die ersten Geräte waren MK1 und MK3, ganz einfache Geräte, die nicht mal alle Regel, wie en passant beherrscht haben. Damit habe ich mir das Schachspiel selbst beigebracht, sozusagen autodidaktisch.

Dein einziger österreichische Vorgänger als FS Europameister Siegfried Neuschmied gewann den Titel im Jahr 1996. Er hat mit Fernschach aufgehört und spielt Turnierschach für den Schachklub Kufstein/Wörgl in der Bundesliga West. Spielst du auch Turnierschach?

Ja, ich spiele gelegentlich für Austria Wien und in der Wiener Betriebsliga. Meine aktuelle Elozahl liegt bei knapp 2160.

Im Fernschach braucht man oft viel Geduld. Als Beispiel dafür sei genannt, dass du deine Partien in der 72. Europameisterschaft schon vor über einem Jahr beendet hattest und warten musstest, ob dich ein anderer Spieler noch ein- oder überholt. Am Ende gab es einen Doppelsieg für Österreich - Zugrav vor Sommerbauer. Wie vertreibt man sich die doch lange Wartezeit?

Es war meine Strategie, schnell zu spielen und gleich Druck aufzubauen, um meine Gegner permanent zu beschäftigen. Wenn man weiß, dass die Programme immer stärker werden und ich selbst eine sehr starke Hardware habe, macht es Sinn, schnell zu spielen, weil für die anderen der Nachteil im Lauf der Zeit eher geringer wird.
Es gab auch noch andere Turniere zu spielen. Im Finale der 21. Fernschacholympiade wird die österreichische Mannschaft voraussichtlich Rang 4 belegen, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert. Falls die USA oder Luxemburg noch einen Punkt abgeben, ist sogar ein Top 3 Platz möglich. Die Olympiade wird auf 6 Brettern gespielt, neben mir und Norbert Sommerbauer sind Manuel Mendl, Gerhard Walter, Wolfgang Liedl und Wilfried Spiegel im Team. Im Semifinale sind mir 4 Siege gelungen, die für den Aufstieg ins Finale sehr wichtig waren. Im Finale war es natürlich schwieriger zu gewinnen. Das erste Brett war im Finale jedenfalls stärker besetzt als die Europameisterschaft.

 Im Gegensatz zum Turnierschach, wo der Einsatz technischer Hilfsmittel verpönt ist und von der FIDE mit drastischen Mitteln bestraft wird, ist der Einsatz von Analyseprogrammen im Fernschach erlaubt. Wie hast du es geschafft, Europameister zu werden, wo doch auch die Konkurrenz die besten verfügbaren Analyseprogramme verwendet?

Z: Ich verlasse mich natürlich nicht nur auf das Ergebnis eines Schachprogramms. Man kann zum Beispiel herausfinden, welches Programm der Gegner verwendet und die Züge so wählen, dass man ihn damit in eine Falle lockt. Das ist besonders dann leicht, wenn nicht die aktuellsten Programme verwendet werden. Aber selbst die aktuellsten Programme wie Stockfish 15 greifen immer wieder daneben, auch wenn man es gar nicht für möglich hält. In gewissen Eröffnungen weiß ich, dass ich eine gute Gewinnchance habe, wenn der Gegner ausschließlich den ersten von Stockfish vorgeschlagenen Zug spielt. Man muss genau im richtigen Moment erkennen, dass der Zug nicht optimal ist und entsprechend darauf reagieren. Das funktioniert natürlich nicht immer. Sowohl bei der Olympiade als auch bei dem brasilianischen Turnier wusste ich schon im Vorhinein, dass es in einer bestimmten Variante leicht passieren kann, dass der Gegner daneben greift. Und so ist es auch gekommen.
Es gibt auch schwierig zu bedienende Programme, die Partiefortsetzungen in viele kleine Äste aufteilen. Mit einer rechenstarken Hardware kann man damit innerhalb relativ kurzer Zeit riesige Bäume erhalten, die einen vorteilhaften Weg weisen können, der vielleicht zum Sieg führt. Das funktioniert in Partien, in denen man schon einen leichten Vorteil hat, besser als in einer Stellung, die das Schachprogramm mit +/- null bewertet.
Außerdem sollte man den menschlichen Faktor nicht unterschätzen. Man findet immer wieder Partien, die aufgegeben werden, weil Material eingestellt oder der zweite vor dem ersten Zug gespielt wird. Auch ein schematisches Spiel, bei dem immer die erstgereihten Züge gespielt werden, kann man mit gründlichen Analysen widerlegen. Das kommt häufiger bei Spielern vor, die im Turnier nichts mehr erreichen können und nicht mehr die nötige Energie für eine aus ihrer Sicht bedeutungslose Partie aufwenden.

Lieber Wolfgang, ich danke dir für die Einblicke ins Fernschach aus der Sicht des Europameisters! Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen willst?

Ja, in Wien findet vom 23. – 29. Juli 2022 die Schachweltmeisterschaft von Großcomputern statt. Ich werde Ginkgo (= Fritz) bedienen, die aktuelle Version ist um ca. 230 ELO stärker als der normale Fritz18 von ChessBase. Das dazu getunte Eröffnungsbuch mit Analysen aus meinen Fernschachpartien stammt von mir.
Bisher sind 7 Programme angemeldet, es kommen aber noch welche dazu.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, vom 23. – 29. Juli ins Messezentrum zu kommen. Es wird auch eine Webseite mit den aktuellen Ergebnissen geben. Schön wäre natürlich auch eine Live-Übertragung, aber ich habe bis jetzt noch niemanden gefunden, der das Event live kommentiert. Sollte sich jemand finden, wären die Organisatoren sicher dafür zu gewinnen.
Weitere Infos dazu gibt es auf der Seite der World Computer Games Association. https://icga.org/?page_id=121

 

Das gesamte Interview sowie ein weiteres Interview mit Vize-Europameister IM Norbert Sommerbauer gibt es im  Fernschach Newletter 29 zu lesen. Der wird etwa um den 20. Juli 2022 auf der Seite des ÖSB erscheinen.

rv

Seit wenigen Stunden ist es fix: Der Wiener Fernschachgroßmeister Christian Muck gewann das Finale der 31. Fernschach Weltmeisterschaft und ist damit Fernschachweltmeister. Er teilt sich den Titel mit dem Niederländer GM Ron Langeveld und dem polnischen SIM Fabian Stanach.

Wenige Tage nach dem Doppelerfolg in der 72. Fernschach Europameisterschaft durch GM Wolfgang Zugrav und IM Norbert Sommerbauer setzte GM Christian Muck mit dem Weltmeistertitel ein noch größeres Ausrufezeichen für das österreichische Schach. Herzliche Gratulation zu diesem sensationellen Ergebnis.
GM Christian Muck ist erst der zweite Fernschach Weltmeister aus Österreich. Der erste aus Österreich stammende Weltmeister war der gebürtige türkische Spieler GM Tunc Hamarat, der seit 1972 in Österreich lebt und den Titel im Jahr 2004 errang.

GM Muck, geboren 1964, spielte über 30 Jahre Turnierschach für den burgenländischen Verein SK Sieggraben, den niederösterreichischen Verein SK Vösendorf und in Wien beim SK Hernals. Er bezeichnet sich selbst als Perfektionist, der ursprünglich zum Fernschach kam, um seine Eröffnungskenntnisse zu verbessern. Auch die begrenzte Bedenkzeit im Turnierschach leitete sein Interesse zum Fernschach. Er erzielte 2003 seine erste IM-Norm im Fernschach, wurde 2007 Internationaler Meister, gleich darauf Senior International Master (diesen Titel gibt es nur im Fernschach), und im Jahr 2012 wurde ihm der Titel Fernschach Großmeister verliehen. Seither hat er 5 weitere GM-Normen erzielt, zuletzt mit dem ex äquo Gewinn des Weltmeistertitels.

Turniertabelle

Werte Fernschachfreunde,

diese Ausgabe des Fernschach Newsletter ist überschattet vom Krieg in der Ukraine. Für die Nachkriegsgeneration war es bis zum 24. Februar 2022 unvorstellbar, dass Differenzen zwischen europäischen Staaten auf dem Schlachtfeld ausgetragen werden.
Die ICCF hat ebenso wie die FIDE rasch reagiert. Als erste Aktion wurde ein Geldbetrag an das Internationale Rote Kreuz gespendet, sowie ein Friedensturnier organisiert, dessen Reinerlös für Hilfsmaßnahmen in der Ukraine gespendet wird. Auch die Italienische Föderation hat ein Friedensturnier initiiert.
Russland und Weißrussland dürfen bis auf weiteres keine Internationalen Turniere veranstalten. Beim einberufenen außerordentlichen ICCF Kongress steht eine Sperre für russische und weißrussische Spieler für die Teilnahme an der demnächst beginnenden Fernschach Weltmeisterschaft zur Debatte.

Was gibt es vom Fernschach zu berichten? In der Österreichischen Bundesmeisterschaft laufen noch 2 Partien, die darüber entscheiden, ob der Titel nach Vorarlberg, Tirol oder Wien geht.
Weiters gibt es erste Berichte über die kürzlich gestarteten Landesmeisterschaften in Vorarlberg und Salzburg.
International steht die Österreichische Olympiamannschaft kurz davor, im Finale der 21. Fernschacholympiade einen Platz unter den Top 4 zu erreichen.
Christian Muck führt zwei Partien vor Turnierschluss immer noch die Tabelle der 31. Fernschach Weltmeisterschaft an, und in der 71. Europameisterschaft steht ein österreichischer Sieg bereits fest.
Weitere Berichte gibt es über die Europa-Mannschaftsmeisterschaft, die Champions-League sowie die Erfolge in der Internationalen States and Regions Meisterschaft.
Im Vergleichskampf mit den USA hat Österreich seit dem letzten Bericht den Rückstand von 6 Punkten auf einen Punkt verkürzt und damit weiter die Chance, die USA innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal zu besiegen.
Den Abschluss des Newsletter bilden Berichte über das Finale des C960 Weltcup sowie das Semifinale der C960 Europameisterschaft sowie die ICCF Elozahlen aller österreichischen Spieler vom 1. April.
(RV)

Download Fernschach Newsletter 28

Newsletter in Druckauflösung auf der Seite des Salzburger Landesverbands

 

Den österreichischen Fernschachspielern GM Wolfgang Zugrav und IM Norbert Sommerbauer gelang ein Coup der Sonderklasse: In der 72. Fernschach Europameisterschaft gewann GM Zugrav mit 9,5 Punkten vor IM Sommerbauer (9 Punkte). Dahinter folgen mit je 8,5 Punkten SIM Iñigo De Carlos Arregui (ESP), dem unter neutraler Flagge spielendem Russen SIM Andrey Ivanovich Nekhaev, IM Petr Kouba (CZE) und IM Eggert Isolfsson (ISL).

GM Wolfgang Zugrav ist erst der zweite Österreichische Spieler, der sich den Titel des Europameisters sichern konnte. Vor ihm schaffte es der Tiroler Siegfried Neuschmied, der sich den Titel im Jahr 1996 holte.

Turniertabelle

rv

Werte Fernschachfreunde, der Fernschach Newsletter 27 ist fertig und steht zum Lesen am Bildschirm oder als Download bereit. Berichte über das nationale und internationale Fernschach mit österreichischer Beteiligung erwarten sie auf 65 Seiten.

Wie bereits gewohnt gibt es die aktuellen Elozahlen vom 1. Jänner 2022. Wir berichten über die Österreichische Fernschachmeisterschaft, in der die letzten laufenden Partien über den Titel entscheiden werden.
Der derzeit führende IM Wilfried Spiegel hat uns eine kommentierte Partie aus der Fernschach-Meisterschaft zur Verfügung gestellt.

Wir berichten über das Finale der 72. Europameisterschaft, in dem der Sieg eines Österreichers bereits feststeht. Auch im Finale der 31. Fernschach-Weltmeisterschaft liegt ein Österreicher in Führung.
Eine weitere Überraschung bahnt sich im Finale der 21. Fernschach-Olympiade an. Die Österreichische Mannschaft befindet sich derzeit auf Kurs zur Silber- oder Bronzemedaiile.

In der Rubrik „Kleine Regelkunde“ werden Neuerungen beim Turnierbeginn, sowie Wissenswertes über Remisgebote, Streichung aus der Liste aktiver Spieler und die Totmann-Verteidigung besprochen.

Wir wünschen unseren Lesern viel Spaß beim Lesen! (RV)

 

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