Spiele im Mittelalter - Das Kurierschach

 

altEin junges Grazer Startup hat eines der ältesten mittelalterlichen Schachspiele - das Kurierschach - unter Beachtung der wichtigsten und ältesten Überlieferungen originalgetreu rekonstruiert und bietet dieses zum Kauf an. Den mittelalterbegeisterten Spieler erwartet eine detailgetreue Nachbildung unter Verwendung authentischer Materialien, ideal zum Eintauchen in die Welt des mittelalterlichen Spiels. Ein ausführlich erläutertes Regelwerk liegt bei. Aber worum handelt es sich überhaupt beim Kurierschach? Die Antwort gibt es unter "Weiterlesen"... (wk, Foto: Wikipedia)
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Das Kurierschach als Rekonstruktion bei www.brettspielprofi.at

Spiele sind so alt wie die Menschheit selbst. Von Anbeginn haben sich unsere Vorfahren miteinander gemessen, sei es zum Zeitvertreib oder zum Training logischer oder motorischer Fähigkeiten. Allem gemein¬sam ist das Vergnügen, in einer kleinen Welt an Möglichkeiten das allergrößte Experiment wagen zu können, immer neugierig auf das noch Unbekannte. Ihre Veränderung gleicht oft einer steten Evolution, in der sich Regeln, Figuren und Spielfelder über Jahrhunderte hinweg verändern und der jeweiligen Zeit anpassen.

Die Welt des mittelalterlichen Spiels ist auch noch in der heutigen Zeit allgegenwärtig. Die „Klassiker“ Schach, Backgammon, Dame etc. haben historische Vorläufer, die oft noch weit vor die Zeit des Mittelalters zurückreichen. Besonderes Interesse kommt bei der Geschichte des Spiels oftmals auch dem Schach, als dem Spiel der Könige zu.

Als „Importprodukt“ aus dem arabischen Raum war man im Mittelalter von Anfang an bestrebt, das „Schachzabel“-Spiel zu verbessern und zu aktualisieren. Eine der ältesten dokumentierten historischen Schachvarianten aus Europa ist hier das Kurierschach, das erstmals um 1208 in einem höfischen Versroman der sich mit der Artussage auseinandersetzt erwähnt wird: dem Wigalois. Allerdings ohne Bezug auf Regeln, Figuren oder Brett zu nehmen. Nur der Name wird erstmals tief in die Rillen der Geschichte des Spiels geritzt.

Erst 300 Jahre später malt Lucas van Leyden um 1508 das Bild einer Schachpartie, dessen Besonderheit von Historikern lange nicht erkannt wird: Hier ist kein gewöhnliches Schachbrettt abegebildet, sondern eines mit 12 mal 8 Feldern, auch die Figuren weichen stark von dem ab, was man heutzutage erwarten würde. Das auf dem Bild dargestellte Spiel ist die älteste bildliche Darstellung des Kurierschach, bei der auch einzelne Figuren erkennbar sind.

Zum Glück von Historikern gibt es aber neben seit dem Jahr 1200 zahlreichen namentlichen Erwähnungen auch eine Überlieferung der Regeln. Diese verdanken wir August II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, einem gelehrten Fürsten, der in seiner Regierungszeit nicht nur eine der größten Bibliotheken Europas schuf und sich massiv für die Förderung der deutschen Sprache einsetzte, sondern auch als Kryptograph und eben Forscher hervortat, der auch die Regeln des Kurierschachs unter dem Pseudonym Gustavus Selenus veröffentlichte. Dass besagter Herrscher während des dreißigjährigen Krieges auch zahlreiche Hexenverbrennungen durchführen ließ, relativiert das vormals edle Bild beträchtlich.

Ähnlich wie das moderne Schach bildet auch das Kurierschach ein wenig die mittelalterliche Weltordnung ab, nur etwas detaillierter und archaischer. In der Mitte der König und seine Dame, letztere aber weit weniger beweglich als die heutige Dame, da sie nur ein Feld diagonal zieht, darauf folgen links und rechts deren persönliche Diener, „Schleich“ (Königin) und „Der Mann“ als Rat des Königs. Weit weg von der Aristokratie die im Zentrum des Spiels steht, befindet sich am Rand das Symbol des Bürgertums, der Turm.

Während im konventionellen Schach nun die Läufer als Symbol der Geistlichkeit kommen, die eng am Adel sitzen (vergleiche die englische Bezeichnung „bishop“ für Läufer!), kommt hier die mächtigste Figur des Kurierschachs, der Kurier. Als dynamischste Figur verdankt das Spiel ihm seinen Namen. Das vormittelalterliche und das konventionelle Schach war wegen der unbeweglicheren Figuren weniger populär, der Kurier hatte diesem einiges entgegenzusetzen. Der Alfil, der auch noch in seiner Gestaltung an zwei Stoßzähne erinnert ist ein aus dem persischen Schach stammender Elefant, dessen Reiter diagonal in das übernächste Feld seine Pfeile verschießt. Das Pferd ist hingegen identisch zum heutigen Pferd.

Das Kurierschach ist ob seiner ungewohnten Figuren eine spannende Herausforderung sowohl für Schachliebhaber als auch für begeisterte Freunde des Mittelalters. Es bietet ein authentisches Spielerlebnis abseits eingelernter Schachzüge und Eröffnungen. Übrigens ist noch um 1850 im deutschen Schachdorf Ströbeck eine  Partie Kurierschach dokumentiert. Das dortige Schachmuseum stellt deshalb in Kürze auch das unter www.brettspielprofi.at erhältliche Kurierschach als einzig verfügbare authentische Rekonstruktion aus.