Österreich weiter auf Siegeskurs

In der 4. Runde der Olympiade in Khanty-Mansiysk fahren die Österreicher/innen die erwarteten Pflichtsiege gegen Neuseeland und Paraguay ein. Die Herren gewinnen klar mit 3,5:1,5 wobei Georg Danner eine Glanzpartie gelingt. Die Damen siegen gegen Paraguay vom Ergebnis her ebenfalls klar mit 3:1, müssen aber nach einem raschen 0:1, Newrkla verliert ihre Weißpartie, ein paar kritische Momente überstehen. Novkovic sorgt für den Ausgleich, Kopinits und Moser stellen letztlich den Endstand her. Heute treffen unsere Herren auf Turkmenistan, die Damen auf die starken Polinnen. Unter "Weiterlesen" gibt es den Bericht der Runde von Karl-Heinz Schein. (wk)
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2 weitere Siege – nun geht’s in den kleinen Saal!

3,5 Punkte für unsere Herren gegen Neuseeland und ein 3:1 Sieg der Damen gegen Paraquay – was sich  wie glasklare Ergebnisse anhört, war - vor allem bei den Damen - in Wirklichkeit härter erkämpft als man vermuten möge.

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Fotoshooting mit Glücksbringer: Kopinits, Novkovic, Newrkla und Moser


Zu den Herren:

Da kann man nicht anders, man muss mit der Glanzparty von Georg Danner beginnen. „Das Teambaby“, wie er sich selbst mit schelmischem Blick bezeichnet, spielt für Österreich bereit seine 11. Olympiade. Und der rasiermesserscharfe Königsangriff, den er gestern ablieferte, gehört mit zu seinen besten Olympiapartien. Subtile Feinheiten in der Eröffnung, eine Mischung aus prophylaktischen Manövern und Angriffszügen, ein hervorragendes Qualitätsopfer und ein atemberaubender Schlussangriff mit schönen Varianten hinter den Kulissen erfreuten die Herzen der Kiebitze, die sein Brett umlagerten.

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Georg Danner während seiner Glanzpartie...

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und bei der Analyse am Abend

Weiterhin glänzend disponiert zeigt sich Martin Neubauer, ein Schwarzsieg in 22 Zügen zeigt von guter Form und gewissenhafter Vorbereitung. Problemlos kam er mit Slawisch zum Ausgleich, um ausgangs der Eröffnung einen Fehler seines Gegners umgehend präzise zu bestrafen. Wenn David Shengelia und Trainer Zoltan Ribli sich zur Vorbereitung zurückziehen, kann man sicher sein, dass es in der Variantenküche gewaltig brodelt. Für die gestrige Begegnung gegen Neuseeland wurde der Fahrplan gegen den holländischen Stonewall festgelegt. Ergebnis: der d-Bauer geht nur nach d3, um dann den Vorstoß e4 anzustreben. Das Konzept ging prompt auf, Schwarz reagierte bereits in der Eröffnung falsch, e2-e4 war gar nicht mehr nötig und anschließend war es ein Spiel auf schiefer Ebene. Drei klare Angelegenheiten, einzig am Spitzenbrett zogen dunkle Wolken auf; Markus Ragger fand sich im Mittelspiel in einer schwierigen Stellung wieder, dank seiner unbändigen Kampfkraft kam er aber mit Remis und einem blauen Auge davon.

Fazit: Ein sogenannter „Pflichtsieg“ wurde souverän eingefahren, mit nun 6 Mannschaftspunkten befinden wir uns in der illustren Gesellschaft von Teams wie Aserbeidschan, China, England oder Indien. Nach Feinwertung liegen wir momentan auf dem 33. Platz.

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David Shengelia und Martin Neubauer schießen mit Eröffnungskanonen...

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Markus Ragger kämpft hart ums Remis



Zu den Damen

Puhhh, Paraquay war eine harte Nuss, die lächerlich niedrigen Elozahlen sagen nichts über die tatsächliche Stärke dieser jungen Truppe aus. Lange Zeit war dieser Wettkampf völlig offen, umso mehr, als auf Brett 4 Katharina Newrlka wiederum in akute Zeitnot driftete. In einer hochkomplizierten Stellung fand ihre Gegnerin ein gefährliches Turmmanöver, das in einem Einschlag auf h3 seinen Abschluss fand. Katharinas Zeitüberschreitung in schon hoffnungsloser Position bedeutete die 1:0 Führung für den südamerikanischen Außenseiter.

Doch wem anders als Julia Novkovic sollte es vorbehalten sein, den Ausgleich zu erzielen? Der vierte Sieg in Folge – eine atemberaubende Serie, zu der man nur herzlich gratulieren kann. Ein Blick in die Statistik zeigt, sie ist eine von 11 Damen, die dieses Kunststück in Khanty-Mansiysk bislang zusammengebracht haben. Bei den Herren gibt es noch vier Spieler mit 4 aus 4, darunter die drei Großmeister Ivan Sokolov (Bosnien), Kamil Miton  (Polen) und Nils Grandelius (Schweden).

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Madame 100% Julia Novkovic

Nach ihrem freien Tag kam Tina Kopinits ausgeruht zurück in die Turnierarena und spielte selbstbewusst eine ihrer Lieblingsvarianten in der französischen Verteidigung. Lange hielt ihre Gegnerin gut mit, doch als sie ein Opfer von Tina auf d5 übersah, war es um ihre Stellung geschehen. 2:1 für Österreich und Eva hatte mittlerweile ein besseres Endspiel erreicht. Durchatmen war angesagt! Zwar hätte nun ein Remis bereits für den Mannschaftssieg genügt, doch unsere Großmeisterin wusste genau, dass sie kein zu hohes Risiko einging, wenn sie auf Gewinn weiterspielte. Die Verwertung des positionellen Vorteils im Endspiel gelang Eva lehrbuchreif.

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Eva Moser

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David Shengelia mit dem Blick des Bundestrainers auf "seine" Damen

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Geschafft. Moser fixiert den 3:1 Sieg gegen Paraguay

Fazit: Für den 3: 1 Erfolg musste ordentlich gekämpft werden. Zwischendurch wurde es richtig dramatisch, doch unser Team war kompakt genug, um auch einige brenzlige Momente (immerhin lagen wir 0: 1 zurück) unbeschadet zu überstehen. Der Lohn für unsere beiden Mannschaften:   Morgen dürfen zum ersten Mal sowohl die Herren als auch die Damen gemeinsam in den elitären kleinen Saal , wo die besten Teams der Welt gegeneinander antreten. Die Herren haben mit Turkmenistan keine leichte, aber keinesfalls unlösbare Aufgabe erhalten, richtig schwer wird es für unsere Damen. Polen ist ein Team, das vier Großmeisterinnen in ihren Reihen hat, ihr Spitzenbrett Monika Socko trägt gar den allgemeinen Großmeistertitel. Daumendrücken ist heute besonders nötig, wenn es ab 15:00 Uhr Ortszeit (11:00 in Österreich) wieder heißt: „Lang lebe der rotweißrote König!“

 

Kurzer Blick auf kleinere und größere Ereignisse abseits unserer Österreicher-Bretter: Großer Auflauf, als „the one and only - Mr. Gaaaaaaarrryyy Kasparrrrrov“  im großen Saal Audienz hielt. Eine sichtlich nervöse Hauptschiedsrichtern suchte verzweifelt Ruhe herzustellen, all zu viele Spieler und Spielerinnen drängten sich um den Star, um einen Blick auf ihn zu werfen oder gar ein Foto mit ihm zu erhaschen. Etwas abseits wurde Zsuzsa Polgar vom russischen Fernsehen interviewt, sie wird natürlich ihrer Schwester Judit, die bislang im ungarischen Herrenteam glänzend spielt, die Daumen drücken. Tolle Partien der Weltelite erfreuten das Herz der Zuseher vor Ort und an den Bildschirmen zuhause. Kramnik und Nakamura trennten sich nach wilden Verwicklungen Remis, Carlsen musste gegen den glänzend aufspielenden Georgier Jobava eine Niederlage hinnehmen. Sehenswert, wie die ukrainische Nummer 1, Wassily Ivanchuk seinen renommierten Gegner Alexander Beljavsky noch im frühen Mittelspiel auseinandernahm.

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Garry Kasparov oder Mann mit Schein im Blitzlichtgewitter

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Mr. ChessResults Heinz Herzog. Selbst Kasparov wollte ein Foto mit ihm.

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Die Nummer 1 der Welt, Magnus Carlsen, verliert gegen Georgiens Jobava

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Zsusza Polgar im Interview

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Wladimir Kramnik am Spitzenbrett von Russland 1

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Iwantschuk schlägt sehenswert Beljavsky

Eine nette Anekdote, die mir gestern Adrian Mihalchishin erzählte, möchte ich euch nicht vorenthalten. Adrian ist Vorsitzender der FIDE-Trainerkommission und in dieser Funktion hielt er gestern Vormittag einen Vortrag vor Schachtrainern aus der Dritten Welt. Zum ersten Mal waren auch Schachspieler aus Kamerun dabei. Als sie auf dem Infoblatt zu dieser Veranstaltung das offizielle Fide-Kürzel für Adrians Namen lasen, nämlich „MIH“, fragten sie ihn ehrfürchtig: „Oh, you are really the great Mihail Tal?“

Morgen ist übrigens der erste spielfreie Tag des Turniers, ich hoffe, ich finde dann Zeit, die Stadt etwas näher anzusehen um euch Khanty-Mansyisk vorstellen zu können.